Anforderungen, die die Bewältigung wirtschaftlicher Krisen an das Management und an das Personal von Unternehmen stellt

Anlässlich der Kölner Messe „Zukunft Personal Europe 2025“, die als Ausdruck einer hochdynamischen Arbeitswelt mit disruptiven Rahmenbedingungen das Motto „Time for new beginnings“ trägt, bereitete Dr. Boysen für den 9. September auf dem Messestand der Haufe Akademie einen Vortrag über die besonderen Anforderungen vor, die die Bewältigung wirtschaftlicher Krisen an das Management und an das Personal von Unternehmen stellt.

1 Relevanz des Themas

Dr. Boysen bezieht die Relevanz für das Thema aus den sich abzeichnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler deutscher Unternehmen, insbesondere Industrieunternehmen. Schon immer gab es Herausforderungen im Wettbewerb, mit der Bürokratie, bei Personalthemen, Qualitätsthemen, der Finanzierung etc. Das sind chronische Stressoren. Mit zunehmender dynamischer Komplexität kommt es allerdings häufiger zu einer Überlagerung dieser chronischen Stressoren mit akuten Stressoren, wie etwa Lieferkettenproblemen, der Energiekrise, der Pandemie, geopolitischen Ereignissen, der Zollpolitik oder der plötzliche Entfall von Schlüsselkunden. Daraus resultieren für Unternehmen unerwartete wirtschaftliche Krisen.

Abb. 1 a-c: Überlagerung chronischer und akuter Stressoren

2 Unternehmenstransformation und Unternehmensrestrukturierung

Möchte man den Zustand von Unternehmen beurteilen, empfiehlt sich eine Unterteilung in drei Kategorien:

  • Gesunde Unternehmen, die laufend angepasst werden,
  • Unternehmen, die drohen, den Anschluss zu verpassen, und transformiert werden müssen
  • und Unternehmen in (akuter) Krise, die Restrukturiert und saniert werden müssen.

Jede dieser Kategorien erfordert spezifische Aktivitäten.

Abb. 2: Kategorien von Unternehmen bezüglich ihrer Existenzfähigkeit

Sollte tatsächlich eine Restrukturierung anstehen, ist es wichtig, die Phasen des Sanierungsprozesses, die unterschiedliche Aufgaben beinhalten und unterschiedliche Fähigkeiten erfordern, sauber voneinander unterschieden werden. Das sorgt für den erforderlichen Fokus auf die dringend zu erledigenden Aufgaben.

Abb. 3: Phasen des Prozesses zur Sanierung von Unternehmen

3 Anforderungen an Manager, Führungskräfte und Mitarbeiter

Eine zentrale These von Dr. Boysen ist, dass resilienzfördernde Führung eine neue Rolle von Managern in Unternehmen erfordert, und zwar

  • als Moderatoren des laufenden strategischen Diskurses,
  • Dynamische Komplexität erkennen und akzeptieren – nicht reduzieren,
  • als „enzymatisch wirkende“ Initiatoren für Empowerment,
  • als Enabler der Entwicklung von Prozessen mit wirksamen Feedback-Mechanismen für die laufende Anpassung und
  • mit starkem Fokus auf Leadership des „Jetzt und Hier“ und wichtige strategische Projekte.

3.1 Anforderungen an Manager und Führungskräfte

Zunächst geht es darum, eine wirkliche Veränderungsbereitschaft im Management-Team herbeizuführen. Dazu zählt vor allem das Eingeständnis von Management-Fehlern, aber auch das schonungsloses Aufdecken von Krisenursachen unter Einbindung externer Sanierungsprofis.

3.1 a) Phase der unmittelbaren Existenzsicherung und Konzeptphase

In der Phase der unmittelbaren Existenzsicherung und in der Konzeptphase sind hervorragende Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeit zur professionellen Kommunikation der wirtschaftlichen Lage an die Belegschaft und an das wirtschaftliche Umfeld des Unternehmens mit der Botschaft eines Lösungsweges. Dazu ist die Einbindung von Krisen-PR-Expertise empfehlenswert. Außerdem ist eine besondere Leadership-Fähigkeit unabdingbar, insbesondere für die Sinnstiftung, die Motivation zu Extraleistungen, der Erhaltung des Teamgeistes und für das Durchsetzen von Prioritäten. Unverzichtbar sind auch schnelle Entscheidungen und das zügige Einleiten sofort wirksamer Existenzsicherungsmaßnahmen („Cash is King!“) unter Einbeziehung von Gesellschaftern, Banken, Lieferanten und Kunden in Existenzsicherungsbeiträge. In dieser Phase hat kein Anspruch auf Perfektion etwas zu suchen. Schließlich muss zügig ein hinreichend tiefgreifendes Sanierungskonzeptes unter Einbindung der Leistungsträger erstellt werden. Die Kenntnis der persönlichen Haftungsrisiken bei Insolvenzgefahr ist für Geschäftsführer wichtig. Eine insolvenzrechtliche Beratung ist in jedem Fall während des gesamten Sanierungsprozesses empfehlenswert.

3.1 b) Sanierungsphase und Phase der Resilienzschaffung

In der eigentlichen Sanierungsphasen und einer sich unbedingt anschließenden Phase der Resilienzschaffung wandert der Fokus auf ein ganzheitlich angelegtes und vernetztes Verständnis der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge im Markt und im Unternehmen (alternative Finanzierung, Finanzplanung in der Krise, Working-Capital-Optimierung, Transformation des Geschäftsprozesses, strategische Neuausrichtung, Prozessoptimierung, Innovationsmanagement, Shopfloor-Management, Kostensenkung, Vertriebsführung). Zügige Veränderungen erfordern eine ausgeprägte Umsetzungsstärke, die sich in folgenden Qualitäten äußert:

  • in einer hands-on-Einbindung der Mitarbeiter in den Sanierungsprozess,
    • in einer möglichst kurzfristigen Umsetzung erforderlicher personeller Anpassungen mit Signal: Ihr anderen bleibt an Bord!
    • In einer klaren Kommunikation von phasenbedingten Änderungen der Marschroute und der Prioritäten,
    • Im engmaschigen Verfolgen der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen,
    • und der notwendigen Expertise in der Projektleitung zur Führung des Sanierungsvorhabens als Projekt (Ressourcenplanung, Projektsteuerung).

Insbesondere in diesen Phasen ist die Akzeptanz eines deutlichen persönlichen Mehraufwandes durch die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und die Reporting-Anforderungen neben dem Tagesgeschäft erfolgskritisch.

3.2 Anforderungen an die Mitarbeiter

Auch die Mitarbeiter sind während der Bewältigung einer wirtschaftlichen Unternehmenskrise deutlich stärker gefordert als bei gewöhnlichem Geschäftsverlauf. Es reicht bis zu einer Zerreißprobe der Loyalität der Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen.

Mitarbeiter sind genauso wie Führungskräfte gefordert, von Phase zu Phase zügig komplett umzuschwenken:

  • Steht zunächst die Liquiditätssicherung die Zwischenfinanzierung als oberste Priorität (Working-Capital-Optimierung (insbesondere Lagerbestandsabbau und Forderungsmanagement), aber auch die Kündigung von Zeitarbeitsverträgen und die Vorbereitung von Kurzarbeit),
  • geht es nach der Durchfinanzierung in der Sanierungsphase um Ertragssteigerung (Bindung von Kunden, Lieferanten und Leistungsträgern, Verfügbarkeit von Vormaterialien, Kapazitätsauslastung, Durchlaufzeitenoptimierung, Ressourcensicherung, Führung anhand von KPIs etc.),
  • dann um die strategische Kompetenz (Positionierung im Markt, Geschäftsmodell)
  • und schließlich um das Schaffen von Resilienz (ganzheitliche Entscheidungen, Feedbackschleifen).

Mitarbeiter lernen während eines Sanierungsprozesses die wirtschaftlichen Zusammenhänge „on-the-run“ kennen und entwickeln persönliche Agilität. Stimmt die Zusammenarbeit, ergibt sich daraus organisationale Agilität.

Allerdings ist jeder Sanierungsprozess auf die Bereitschaft der Mitarbeiter angewiesen, neben dem Tagesgeschäft krisenbedingt anfallende zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Zu diesen Aufgaben zählt die Information an Kunden und Lieferanten mit Fingerspitzengefühl, das Berichtswesen an Banken und ggf. an einen Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss, sowie die Zuarbeit für ein Sanierungskonzept. Die dafür eingebrachte Energie kann zu einer enormen zeitlichen und psychischen Belastungdurch die wirtschaftliche Unsicherheit des Unternehmens und  der eigenen wirtschaftlichen Existenz führen.

Um dieses umfassende Bündel an Anforderungen an das Management und die Belegschaft möglichst komplett und reibungsarm zu erfüllen, sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:

  • Interessenabgleich: Klares Unterscheiden zwischen Gesellschafterinteressen (Stichwort: Sanierungswürdigkeit) und Unternehmensinteressen (Stichwort: Sanierungsfähigkeit)
  • Sachliche, offene Kommunikation über das Krisenstadium und die Erfordernisse in der wirtschaftlichen Krise
  • Aufrichtiger und fairer Umgang miteinander
  • Positive Einstellung zur Unternehmenssanierung: „Aufgeben ist keine Option!“
  • Kreativität bei der Suche nach Lösungsansätzen!
  • Starkes Miteinander, statt Alleingänge: Gute Abstimmung von Erwartungen mit den Möglichkeiten an allen Schnittstellen in den Prozessen, Feedback-Kultur
  • Einholen notwendiger Fachexpertise, die nicht in den Teams zu finden ist: „Eine Lösung ist nie teurer als keine Lösung!“

Ein Abschlussimpuls: Können und sollten die Fähigkeiten, die Manager und Mitarbeiter in der Unternehmenskrise benötigen, in guten Zeiten trainiert werden?

Wenn Sie mehr über Unternehmenstransformationen oder Unternehmensrestrukturierungen und -sanierungen erfahren möchten, empfehlen wir das Buch „Nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen“ von Dr. Werner Boysen, das im Frühjahr 2025 bei Haufe erschienen ist und das Sie hier bestellen können.