Einblicke in Erkenntnisse vom Jahreskongress 2025 der DDIM

Am Samstag war ich auf dem diesjährigen, hervorragend besuchten Jahreskongress der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management, der – wie schon seit vielen Jahren – im Düsseldorfer Van der Valk Airport-Hotel stattfand. Der Kongresstag war nicht nur zum Networking hervorragend geeignet, sondern gab mir auch viele wertvolle Impulse.

Die deutsche Industrie steckt in einer tiefen Krise. Im Fokus des Kongresses stand, wie wir als Interim-Manager einen Beitrag zur Erholung der deutschen Industrie leisten können.

Exemplarisch beziehe ich Euch in Form von drei Blitzlichtern in den Kongress ein:

Deutschland befindet sich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise

Prof. Dr. Stefan Kooths, Forschungsgruppe Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, erläuterte anschaulich und nachvollziehbar, dass sich Deutschland in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befindet, die sich durch die staatlichen Kredite, die nun in die Infrastruktur und in die Rüstung gepumpt werden, nicht auflösen wird. Solche staatlichen Interventionen, so Kooths, könnten in einer konjunkturellen Delle wirken, nicht aber wenn die Krise auf strukturelle Ursachen zurückzuführen ist. Kooths verglich den aktuellen Kredit-Booster der Bundesregierung damit, einem Drogensüchtigen eine Injektion mit Drogen zu geben und zu glauben, weil es ihm nun augenscheinlich besser geht, er sei geheilt. Die Verschuldung steigt, ohne Rendite aus dem zugeführten Kapital zu ziehen. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dürfe nicht mit konjunkturellen Veränderungen verwechselt werden. Die deutsche Wirtschaft schwamm immer wie ein Korken auf der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Das ist nun anders: Sie befindet sich im dritten Jahr in Rezession. Die deutsche Industrie leidet unter einer besorgniserregenden Unterauslastung, die sonst nur durch disruptive Ereignisse wie die Corona-Krise oder die Finanzkrise 2008 ausgelöst werden, die aber aktuell nicht vorliegen. Kooths diagnostiziert eine Keynesianische Fehleinschätzung: Es kann kein künstlicher Bedarf geschaffen, keine Beschäftigung geschaffen werden; vielmehr müssten wir durch eine Transformation, die Automatisierung und den Einsatz von KI umfasst, effizienter werden. Dafür solle der Staat geeignete Rahmenbedingungen schaffen: Er müsste für Spielraum für eine Deregulierung sorgen, für Rechtssicherheit und eine agile Bürokratie. Transfersysteme können keine Lösung bringen, sondern beschleunigen die Talfahrt ebenso wie hohe Steuern für Besserverdiener und Vermögende. Dann würde das Geld nämlich nicht mehr von den Leistungsstarken investiert, sondern vom Staat verbrannt. So verzehren wir allmählich unseren Kapitalstock, ohne die Rahmenbedingungen für die Unternehmen nachhaltig zu verbessern. Die Ursache liegt gemäß Kooths in einem Misstrauen in die Marktwirtschaft, die wiederum auf ein geringes Verständnis über wirtschaftliche Zusammenhänge zurückzuführen ist. Kooths ist davon überzeugt, dass marktwirtschaftliche Systeme performant sind, wenn man sie wirken lässt.

Zwang zur Transformation

Dipl. Vw. Georgiy Michailov, Struktur Management Partner GmbH, sieht dringenden Transformationsbedarf. Den Unternehmen, für die die Halbwertszeit von Geschäftsmodellen sinkt, Absatzmärkte schwach sind und Wachstumschancen fehlen, die Unsicherheit zunimmt, die Zinslast steigt, Refinanzierungsmöglichkeiten schwinden, gibt Kooths die Therapieempfehlung mit, ein ausgeprägtes Resilienz-Management zu entwickeln. Deutschland befindet sich seit 10 Jahren auf der Weltrangliste im Abstieg. Kooths macht die drei Ausprägungen des mangelnden Risikobewusstseins deutlich: Es gilbt die Elefanten im Raum, die Risiken repräsentieren, die niemand sehen möchte; daneben gibt es graue Nashörner, die für Risiken stehen, die zwar erkannt sind, mit denen sich aber trotzdem niemand auseinandersetzet; und dann gibt es die schwarzen Schwäne, mit denen Risiken gemeint sind, die wirklich nicht erkennbar sind. Kooths mahnt, sich in Unternehmen mit allen drei Risikotypen angemessen zu befassen. Er empfiehlt, einen „sense of urgency“ zu entwickeln, um wirklich eine Verbesserung einzuleiten. Es helfe im internationalen Wettbewerb nicht wirklich, durch Lobbyarbeit die Regulatorik zu verschärfen, weil Wettbewerbsprodukte besser sind. Um wirklich etwas zu verbessern, ist es erforderlich, sich neben der Optimierung des Kerngeschäfts bewusst und intensiv mit Innovation und Investition und mit neuen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Michailov zitierte Prof. Simon, der sagte, Kreativität, Originalität und Querdenken produziere valide Strategien. Michailov schloss mit der Aussage, Hoffnung sei Abwarten; Zuversicht sei proaktives Handeln. Fokussieren Sie und konzentrieren Sie sich auf 3-5 „Must-Winn-Battles“.

Auswirkungen des Stress-Levels in Unternehmen

Der Medizinpsychologe Prof. Dr. Niko Kohls traf in seinem Keynote-Beitrag den Punkt, als er uns Interim-Manager als das SEK der Industrie bezeichnete. Wir betreiben überwiegend Leadership im Ausnahmezustand, denn wir werden beauftragt, wenn in Unternehmen Anomalien auftreten, mit denen unternehmensinterne Ressourcen nicht umgehen können.  Das können abrupte Veränderungen sein, wie sie unter VUKA-Bedingungen auftreten; es können aber auch chronische Stressoren sein, die Unternehmen das Leben schwer machen. Prof. Kohls assoziierte mit der Medizin und führte aus, dass chronische Stressoren entweder beseitigt oder habituiert werden müssen. Können chronische Stressoren nicht beseitigt werden, muss das Verhalten des Unternehmens an diese Stressoren angepasst werden. Andernfalls entsteht Dauerstress, der zum Leistungsabfall führen wird (burn-out). Organisationen, die lange im Dauerstress verbracht haben, können den Stressoren am Ende nichts mehr entgegensetzen. Sie sterben an Insuffizienz. Prof. Kohls merkte allerdings aus an, dass Organisationen, die einem zu geringen Stress-Level ausgesetzt sind, gefährdet sind. Sie lernen nämlich nicht, können sich deshalb nicht anpassen und sterben an Unterforderung (bore-out). Ein mittleres Stress-Level in den Unternehmen fördert sowohl die Leistung auch die Anpassungsfähigkeit.

Prof. Kohls zog einen weiteren Vergleich mit der Medizin: In Stresssituationen leiden bei Menschen und Organisationen oft die Aufmerksamkeit (attention) und die bewusste Wahrnehmung (awareness) reduziert sich mit der Folge, Entscheidungen und Aktivitäten monofokal auf ein abgegrenztes Thema zu richten. Kohls assoziiert mit Autismus. Gerade in Krisen sind Ansätze, die nicht hinreichend ausgreifen, umfassend angelegt und abgestimmt umgesetzt werden, nicht erfolgversprechend. Bei anderen Menschen und Organisationen sind bei hohem Stress-Level sowohl die Aufmerksamkeit als auch die bewusste Wahrnehmung eher sehr breit gestreut und führen zu Aktionismus. Kohls sieht hier parallelen zu ADHS-Patienten. Seine Empfehlung lautet, beides zu kombinieren: die Menschen, deren Wahrnehmung spitz ist und diejenigen, deren Wahrnehmung breit ist. Gerade in der Krise sieht er die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel als einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Je besser in Organisationen kooperiert wird, desto besser können sie lernen, sich entwickeln, reifen und wachsen.

Der Kongresstag war für mich sehr bereichernd. Herzlichen Dank an das Orga-Team und die hervorragenden Redner!